Ein plötzlicher Ruck an der Leine. Mein Hund stürmt los. Vorne auf der Wiese steht ein anderer Hund. Am anderen Ende der Leine – eine Frau, telefonierend und wild gestikulierend. Sie dreht sich um, sieht mich, legt auf und kommt direkt auf mich zu.
“Oh wie schön dich zu treffen. Wir haben uns ja schon länger nicht mehr gesehen. Ich muss dir unbedingt noch erzählen, was ich …. gestern, … letztes Wochenende … Ach und neulich mit dem Bekannten … am See …”
OMG, denke ich. Das hätte es jetzt echt nicht gebraucht – um 6 Uhr morgens. Es ist dunkel, ich bin müde und lass sie erstmal reden. Frau Vielredner nervt – ich muss sie stoppen, aber ohne unhöflich zu sein. Ich fühle mich bedrängt und genötigt, schon am frühen Morgen „kämpfen“ zu müssen – um Redezeit, um Aufmerksamkeit, um dabei-sein-zu-dürfen, um Wertschätzung.
Teil 1 der Blogserie: Was macht einen Vielredner aus und warum wirkt es auf viele so unangenehm.
Endlose Monologe – Warum hören manche Menschen nie zu?
Kennst du das? Dein Gesprächs-Gegenüber redet ohne Punkt und Komma und in schnellen thematischen Wechseln von sich, seinen Hobbies, Projekten, Job, Kindern, Urlaub, Freizeit, … sodass euer Gespräch Ähnlichkeiten mit dem Scrollen durch den Insta-Feed mit eingeschaltetem Audio hat? Du kommst einfach nicht zu Wort. Manche Themen-Schnipsel scheinen interessant zu sein, aber eine Vertiefung ist nicht möglich, da dein Gegenüber direkt “weiterscrollt” und das nächste Thema anschneidet, sodass du gar nicht so schnell sinnvoll antworten kannst.
Ich empfinde solche Gespräche als anstrengend. Ich fühle mich als Statistin in eine Show gesetzt, der ich als stummer Zuhörer beiwohnen muss.
Du hast einen Vielredner vor dir – Das steckt dahinter:
Menschen, die „ohne Punkt und Komma“ reden und andere kaum zu Wort kommen lassen, sind keine Gewohnheitstiere. Dahinter stecken tief verwurzelte psychologische oder soziale Gründe. Die haäfigsten sind:
#1 Unsicherheit & Selbstbestätigung:
Die meisten Vielredner haben ein ausgeprägtest Bedürfnis nach Anerkennung.
Mein Haus, mein Auto, mein Boot, mein toller Urlaub, mein super Deal, mein …, was auch immer – Stakato und Dauer „Mein …“ nervt gewaltig.
Diese Menschen haben vor allem Angst, dass sie nicht ernst genommen werden oder ihre Meinung nicht zählen würde. Durch vieles Reden bzw. dadurch dass sie sich hauptsächlich selbst reden hören, bestätigen sich quasi selbst indem sie sich den Eindruck vermitteln, dass sie selbst besonders wichtig sind.
#2 Angst vor Stille und sozialen Unsicherheiten:
Stille – vor allem in zwischenmenschlichen Situationen – empfinden manche Menschen als unangenehm und bedrohlich. Sie fürchten, dass es peinlich wirkt, wenn ein Gespräch mal still ist, oder fühlen sich in dem Moment ausgeschlossen. Ihre Taktik ist daher, ununterbrochen zu reden, um diese scheinbar bedrohliche Stille zu vermeiden.
#3 Dominanz und Kontrolle:
Auch Vielredner sind nicht alle gleich – manche von ihnen haben zusätzlich einen großen Kontrollzwang – sie wollen bestimmen, worüber geredet wird und ihre eigenen Ansichten als gesetzt vorgeben. In Folge lassen sie andere nicht mehr zu Wort kommen, da sie sonst befürchten müssten, dass sie die Gesprächsführung verlieren könnten.
#4 Mangel an Empathie und Wahrnehmung:
Vielen Vierednern mangelt es daran, nonverbale Signale zu erkennen (erkennen zu wollen) geschweige denn richtig zu verstehen. Sie haben nur ein schwach ausgeprägtes Bewußtsein dafür, dass sie ihre Mitmenschen mit ihrem Verhalten übergehen und degradieren.
#5 hoher Mitteilungsdrang und ungefilterte Gedanken:
Vielredner reden oft, bevor sie zuende gedacht haben, unaufhörlich. Manche Monologe gleichen einem Instagram-Feed – schnelle Themenwechsel, laut, zusammenhangslos. Diese Personen haben einen starken Drang, alles was ihnen durch den Kopf geht sofort auszusprechen, egal ob relevant oder nicht. „Vom Papst auf den Eierkuchen“ hat meine Oma immer gesagt.

Gespräche sind nicht die SHOW von Einzelnen, die sich gerne reden hören und Publikum brauchen.
Dafür gibt es SLAMS!
Ist ein Dauerredner ein Narzisst?
Vielredner sind nicht automatisch Narzissten!
Narzisstisches Verhalten kann eine Ursache für Vielrednerei sein, aber daneben gibt es auch viele andere Gründe, warum manche Menschen unaufhörlich reden.
Wann kann Vielrednerei narzisstisch sein?
Narzissten reden oft viel, weil sie:
- … süchtig sind nach Aufmerksamkeit und Bewunderung:
Sie wollen immer im Mittelpunkt stehen. Es ist immer ihre Bühne und sie dulden niemanden neben sich auf der Bühne. - … sich überlegen fühlen:
In ihrem Weltbild sind sie die Einzigen, die Bescheid wissen – alle anderen haben keine Ahnung (auch Ärzte, Rechtsanwälte, Polizei, … nicht). Ihre Meinung ist immer richtig und vor allem die wichtigste. - … andere kontrollieren wollen:
Macht – über ihr Umfeld, die Personen in ihrer Umgebung, die Situation, das Framing – ist ihnen außerordentlich wichtig. Sie versuchen alles und jeden zu dominieren. - … wenig Interesse an anderen haben:
Zuhören ist nicht ihr Ding, nachfragen, wie es anderen geht – schon gleich gar nicht. Dann müssten sie sich doch noch mit dem Gehörten oder der Meinung von anderen auseinander setzen. Ist nicht drin, aus oben genannten Gründen. Narzissten fragen selten nach, hören selten zu und unterbrechen ständig.
OMG … jeder, der so einen Menschen in seinem Umfeld hat, muss sich dringend Gedanken machen um SELFCARE. Wie kannst du dich abgrenzen? Wie kannst du Grenzen setzen und dennoch im Gespräch mit der Person bleiben?
Nicht jeder Vielredner ist ein Narzisst!
Manchmal sind Vielredner auch einfach nur nervös oder überfordert mit einer Situation – erstes Treffen beim Dating, Meeting-Vorbereitung mit der neuen Kollegin. Oder sie haben „Gesprächsstau“ – waren in der letzten Zeit nicht so häufig unter Menschen, fühlen sich einsam und wenn sie mal jemanden Treffen, bricht der Damm und alles fließt aus ihnen heraus.
Das sind in der Regel harmlose Gespräche, die recht einfach in „geordnete Bahnen“ gelenkt werden können.
Fazit
Menschen sind unterschiedlich. Manche reden gerne viel, manche ständig, manche hören nicht zu, manche dafür gerne, wissen nicht, was sie sagen sollen oder wollen gerade nichts zum Gespräch beitragen.
Wenn dir was an einem guten und gemeinschaftlichen Miteinander liegt, erkenne, wer dir gegenüber steht. Nimm die Menschen an, wie sie sind. Es gibt nur die.
Sei aktiv und steuere und gestalte deine Gespräche. Sie sind deine Lebenszeit. Verbringe sie nicht mit Menschen oder in Gesprächen, die dir nicht guttun, die dich runterziehen und dich mit einem schlehtes Gefühl durch den Tag gehen lassen.
Was ist mit dir? Kennst du solche Dauer- und Vielredner? Wie gehst du mit ihnen um?
➡ Lass mir gerne einen Kommentar da.
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